Vor einiger Zeit sollte ich die Verkaufsmannschaft eines Regionaldirektors in einem Konzern trainieren. Etwas lahm seien seine Mitarbeiter geworden. Ein bisschen Anschubmotivation von mir bräuchten sie. Ich sitze also im Seminar mit ihm und seinen Leuten, als die Tür aufgeht und sich ein Herr im Anzug hinten in die letzte Reihe setzt.
Gastbeitrag von Martin Limbeck
Er stellt sich nicht vor, sagt nur Hallo. In diesem Moment verändert sich schlagartig die Körpersprache meiner Seminarteilnehmer. So als hätte jemand ihnen auf einem unsichtbaren Kasernenhof einen stummen Befehl zugebrüllt, nehmen sie Haltung an und erhöhen ihre Konzentration um eine volle Umdrehung.
Oha, denke ich – jemand von der Zentrale. Jemand in der Hierarchie oberhalb des Regionaldirektors. Noch während des Seminars steht der Herr auf und geht. Der Regionaldirektor folgt ihm auf dem Absatz. Tatsächlich, jemand von ganz oben. Ein mächtiger Entscheider. Ein Vorstand, wie sich herausstellt. Was hätten Sie als Nächstes gedacht? Gut dass er weg ist? Ich dachte: Was für eine Gelegenheit! Den akquiriere ich! Sofort nach dem Seminar.
Erkennen und ergreifen Sie Ihre Chance sofort
Das Seminar ist zu Ende. Ich gehe also los, um meinen Mantel und meine Tasche aus dem Büro des Regionaldirektors zu holen. Selbstverständlich sitzt vor dem Büro eine weibliche Firewall. Beiläufig frage ich sie: „Na, sind die beiden da drin?“
Ja, so läuft das. Ich bitte nicht untertänig darum, vielleicht mal den Herrn Direktor stören zu dürfen, falls es denn möglich sei, bittebitte. Stattdessen: „Na, sind die beiden da drin?“ Die Firewall kauft das Passwort und gibt den Zugang frei. Sie sagt: „Ja.“ Ich klopfe und gehe einfach rein. Dann sage ich: „Guten Tag meine Herren, ich wollte nur eben meine Sachen holen.“
Ich gehe zum Regionaldirektor, um mich zu verabschieden. Ist das frech, denken Sie, die Hierarchie nicht einzuhalten, sich nicht zuerst vom Vorstand zu verabschieden? Nein, finde ich nicht. Er hat sich mir nicht vorgestellt. Also hat er es verdient. Außerdem: Buckeln ist keine Option. Ich gebe also dem Regionaldirektor die Hand, verabschiede mich und gehe dann zum Vorstand. Ich nicke ihm zu während ich sage „Lesen Sie gern?“ Wenn Sie schon mit einem Nicken eine solche Frage gestellt bekommen, wer sagt da schon nein? Er nickt. Ich sage: „Wenn Sie mir Ihre Karte geben, lasse ich Ihnen meinen Bestseller zukommen.“ Er rückt die Karte raus. Jetzt kann ich gehen. Eins zu null.
Kompromisse gibt’s erst, wenn Sie einen Fuß in der Tür haben
Ich schicke ihm also einen Brief zusammen mit meinem Buch und schreibe, dass er vermutlich enttäuscht von mir als gutem Verkaufstrainer gewesen wäre, wenn ich nicht die Gelegenheit genutzt hätte, auf mich aufmerksam zu machen usw.
Warum ich Ihnen diese Geschichte erzähle? Weil es keine Frage von Mut ist, eine solche Gelegenheit sofort zu ergreifen. Sondern eine Frage des Selbstbildes. Wenn ich ein netter Typ bin, der gerne mal was verkauft, dann erkenne ich nicht, dass da auf der Stirn des fremden Störers im Seminar „Chance“ steht. Verkäufer dagegen, echte Verkäufer, die IMMER verkaufen, die erkennen das sofort. Ich bin Verkäufer. Wenn ich schon mal einen solchen Top-Entscheider zu fassen kriege, dann muss ich einfach handeln, sofort, egal was dabei herauskommt. Ob es am Ende wirklich einen Abschluss gibt oder nicht. Lassen Sie sich nicht immer erzählen, sie müssten „die Wege einhalten.“ Sie müssen gar nichts. Das Einzige was Sie müssen ist verkaufen – wenn Sie ein Verkäufer sind. Sie weiter nach unten delegieren, das kann der Top-Entscheider dann immer noch.
Martin Limbeck gehört zu den meist gefragtesten Verkaufsexperten auf internationaler Ebene. Er begeistert seit mehr als 20 Jahren mit seinen Erfahrungen und praxisnahen Strategien. Bis heute trat er bereits als mehrfach ausgezeichneter Speaker in mehr als 20 Ländern der ganzen Welt auf. Seine als Bestseller bekannten Bücher motivieren im Vertrieb zu Spitzenleistungen und bieten einen Vorgeschmack auf die mit seinem Team buchbaren Trainings.